Nur mit Poker Chips bitte!

(Anmerkung Martin Bertschi: Dieser Artikel wurde vor zwei Monaten geschrieben und wegen des nicht freigegebenen Videos der BMW (Schweiz) AG zwischenzeitlich wieder offline gestellt.)

Poker hat als Spiel viele Klischees. Das eine ist das schummrige, vielleicht noch verrauchte Hinterzimmer. Das andere wird, dem nicht interessierten Pokerspieler, transportiert über Fiktion wie Filme. Leider verbreiten diese oft falsche Annahmen und schieben dieses wunderbare Spiel in eine verruchte Ecke, sodass viele Menschen vorab eine negative Haltung gegenüber Poker erhalten.

Dabei hat Poker an sich nur ein paar Regeln. Eine Wichtige davon ist, dass man nur die Chips einsetzen kann, welche man vor dem Spiel wechselt.

«Also: Ich wechsle 100 Franken und erhalte den Gegenwert an Pokerchips. Mit denen spiele ich dann, bis ich dann genug gewonnen habe und wechsle diese wieder zurück und erhalte dann das Geld. Oder es läuft schlecht: Ich verliere alle meine Chips und höre und stehe auf (was meistens sinnvoll ist). Oder meistens nicht sinnvoll: Ich wechsle mehr Chips und spiele weiter.»

Dabei gibt es eine sehr wichtige und entscheidende Komponente: Das ist der Zeitpunkt! Um mehr Chips zu wechseln, kann ich das nicht während einer Pokerhand tun. Also nur dann, bevor der Dealer die Karten mischt und ausgibt. Und mit Dealer meine ich alle Geschlechter (m/w/d).

So gibt es die Geschäftsfrau und gelernte Dealerin Claudia Chinello mit der Pokeracademy.ch ihre eigene Pokerschule betreibt. Vielfach sind dies unterhaltsame und lehrreiche Firmenanlässe, wo Neulingen in lockerer Atmosphäre Poker beigebracht wird.

Wie mir Claudia versicherte, gehört diese Regel jedoch ins Repertoire der Schulung:

Goldminen und Autos sind keine Einsätze bei Poker. Nur mit Poker Spielchips bitte!

Willkommen in M Town – Pokerwerbespot der BMW (Schweiz) AG

Mir hat es mir fast die Augen gesprengt, als ich Claudia in einem TV-Spot für die M-Serie von BMW entdeckt habe.

Doch wird genau ein falsches Klischee in diesem TV-Spot angelehnt an James Bond 007 – Casino Royale portiert:

Ein Familienvater läuft mit seiner Frau seinen drei süssen Kindern in die BMW Filiale. Neben allen mit Standlicht eingeschalteten Modellen entdeckt er ein mit einem Tuch verhülltes Auto, welches beim Protagonisten Renngeräusche auslöst. Er erhält von einem Verkäufer einen ominösen Pass «Bürger von der M-Stadt». Das «M» assoziiert die mit vielen PS aufgemotzten Autos der M-BMW Serie. Umso mehr ist dann die Erkenntnis auf dem Pass «wo zu viel, gerade richtig ist», eine sympathische Anekdote.

Ja dieser M-Pass ist viel stylisher als meine M-Cumulus-Karte.

Mit diesem M-Passport eröffnet sich dem Protagonist plötzlich eine andere Welt: Er trägt sofort einen Smoking und befindet sich in einem grossen Parkhaus mit einer leuchtenden Tür. Dahinter befindet sich in einer schummrigen Atmosphäre nochmals ein Parkhaus(!). Im Ring von Boliden und den üblichen Damen in Abendkleidern, steht ein Pokertisch mit Spielern.

Seine Frau und Kinder dürfen nicht zum Pokertisch.

Nur mit Pokerchips bitte

Die Dealerin: Ebenfalls mit Pokerface ausgestattet: Claudia Chinello.

Ohne zu wissen, wie hoch der Protagonist am Pokertisch wirklich gespielt hat, spielt er «die» Hand:

Asse gegen Könige

Claudia legt noch schnell das Karo Ass am River hin und dann wird es grotesk:

Der Familienvater schiebt mit den Assen (Drilling Asse) Allin. Dies ist jedoch nur die zweitbeste Hand. Da wäre doch noch Bube zehn, welche die höchste und unschlagbare Hand darstellt, also die Strasse (Broadway) und nicht der Drilling.

Nur mit Poker Chips bitte!

Egal, denn sein Gegner sitzt gegenüber mit den Königen (Drilling Könige), und lässt sich nicht lumpen. Er hebt den Zeigefinger und sein Diener mit weissen Handschuhen legt ihm noch den Autoschlüssel zu seinem Einsatz hin. Ob dies ein Extraeinsatz der BMW (Schweiz) AG aus einem Gewinnspiel ist, mag ich nicht beurteilen. Vielleicht musste der Familienvater noch die Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr dagegen wetten.

In jeden nicht fiktiven Fall würde in einem ordentlichen Pokerspiel dieser Extraeinsatz nicht akzeptiert und der Dealer müsste einschreiten.

Autoschlüssel als Einsatz, vermitteln ein falsches Bild von Poker!

Natürlich gewinnt der Familienvater seine Hand der generöse faire Verlierer, und tut so, als wollte er diese froschgrüne Karre eh loswerden. Zu ihm passt schon eher der BMW i8. Der Protagonist nimmt die Chips und fährt dann mit dem BMW, ich vermute M8, ziemlich rasant ohne seine Frau Kinder durch die Nacht.

Leider verstört mich dieser Werbespot nicht wegen der hinterlassenen Partnerin und Kindern, oder der Absicht Rennauto zu fahren.

Vielmehr stört mich das hier verbreitete Klischee über Poker: «Schummriges Ambiente und der Autoschlüssel als Zusatzeinsatz auf dem Pokertisch!»

So suggeriert dies genau das über lange Zeit falsch dargestellte Bild von Poker in Filmen weiter, wo man am Pokertisch Existenzen und Beziehungen verlieren kann. Das hilft dem Poker Klischee nicht!

Und ja, da wäre noch Claudia Chinello, welche mittendrin ist. Klar ist der ganze Werbespot fiktiv und sie dort eine Schauspielerin. Ein fader Beigeschmack wegen ihrer Pokerschule bleibt, weil  man bei Poker die Chips des anderen im selben Gegenwert gewinnen kann.

Um so schöner ist es, dass Claudia mir versicherte, ihren zukünftigen Kursteilnehmern genau diesen Fehler aufzeigt und darauf  hinweist, wie Poker richtig funktioniert.

Antwort und Gegendarstellung von Claudia Chinello (über Facebook):
Hoi Martin, danke für deinen Text – und du hast natürlich Recht, sofern es eine „übliche“ Pokerrunde gewesen wäre. Nur, der Plot war der folgende:
Es war ein Freeroll.
Niemand hat einen Einsatz getätigt, der Familienvater wurde eingeladen.
Der Spieler, der den BMW gesetzt hat, war entweder ein Geschäftsleitungsmitglied oder ein Verkaufschef von BMW.
Und er wollte verlieren. 😉
Alles für die Kunden!
Happy new car! ❤
—-Ende Gegendarstellung Claudia Chinello (über Facebook)

Nur mit Poker Chips bitte -Danke!

Cheers

Martin Bertschi